Freitag, 13. Januar 2006

Die Sosa Texcoco und ihre Geschichte

Eine Frage in der Mexico-Community zu einem Satelliten-Bild im Norden des D.F. veranlaßt mich, ein paar Anmerkungen dazu zu machen.

Im Bild oben links vom Caracol (d.h. außerhalb der "Spirale" und rechts des Entwässerung-Kanals) sieht man eine größtenteils unbebaute Zone. Dies war früher die (zumindest lokal) bekannte Sosa Texcoco, wo sosa caustica (Natron-Carbonat, ätzend) hergestellt wurde.
Vor vielen Jahren wurde diese Fabrik stillgelegt, aber nicht "entsorgt". D.h. sämtliche Schadstoffe lagen auf dem brachliegenden Gelände herum; in der benachbarten Colonia Jardines de Morelos (oben rechts im Bild) haben viele Kinder nachgewiesenermaßen schwere, chronische Atembeschwerden (Asthma, Lungenprobleme wie Krebs, etc.), verursacht vom Natron-Carbonat-Staub, der, wie gesagt, vom Wind in die Colonia geblasen wurde.

Vor wenigen Jahren kaufte die Baufima Ara das Gelände (spottbillig) und begann, ohne auch nur irgendetwas der gesundheitsgefährdenden Stoffe zu entfernen, sein fraccionamiento de interés social y medio (staatlich geförderte Wohnsiedlung) namens Las Américas dort zu bauen (böse Zungen behaupten, ein Sohn von Ex-Präsident Ernesto Zedillo hätte seine Finger dort im Spiel gehabt).
Zuerst gingen die Häuser weg wie warme Semmeln (weil vergleichsweise günstig im Kaufpreis und dem Versprechen auf ein centro comercial innerhalb des fraccionameinto), dann erschienen Studien der UNAM, die die extreme Gefährlichkeit des Geländes bewiesen (u.a. greift die sosa die Beton-Fundamente an und macht die Häuser über kurz oder lang instabil und damit baufällig, und natürlich die Gesundheits-Gefährdung). Der Bericht war sogar im Fernsehen (bei Azteca 7) zu sehen; zusammen mit Statements von Ara, sie hätten Spezial-Folien unter die Fundamente gelegt und außerdem wäre die sosa ja gar nicht so schlimm, denn sie hätten sie aufgeschichtet und Gras und Bäume darauf gepflanzt, die gut gedeien.
Der Bericht verursachte Aufruhr und der Bau von Las Américas wurde gestoppt.

... bis, ja bis ein Fiesta Inn-Hotel errichtet wurde und auch andere Firmen wie Liverpool, Wal-Mart und Sanborns (u.v.m.) mit der Errichtung der Einkaufs-Mall Plaza Las Américas begannen (die ein paar Wochen vor Weihnachten 2005 eröffnet wurde).
Das war der Grund für viele Wohnungs-Suchende, alle Bedenken über Bord zu werfen und in Las Américas zu kaufen (es gibt ja nichts wichtigeres, als einen Blockbuster gleich nebenan zu haben...).

Mittlerweile ist fast das gesamte Gelände bebaut, und die Häuser in Las Américas verkaufen sich weiterhin gut.

Ironie der Geschichte: offenbar wissen die lokalen Behörden (sprich: das municipio Ecatepec) sehr gut Bescheid über die Gesundheits-Risiken des Geländes. Gleich neben Las Américas und von der Avenida Central gut sichtbar wurde das Hospital Regional de Ecatepec gebaut.
Man weiß ja nie, wozu das mal gut sein könnte...

5 Kommentare:

Anonymous Anonym schrieb...

Vielen Dank für diesen sehr informativen Text! Es ist gut mal Hintergrundwissen von einem Insider zu erhalten. Danke!

14. Januar 2006 um 12:32  
Anonymous Anonym schrieb...

Interessante Geschichte, Roland! Übrigens macht es wirklich Spaß, mit Google Maps in D.F. rumzuschnüffeln, es gibt viel zu entdecken. :-)

17. Januar 2006 um 03:05  
Anonymous Anonym schrieb...

"Natron-Carbonat" ist doppeltgemoppelt und zeigt, daß Du in der Schule nicht aufgepaßt hast. Natron ist der Trivialname für Natriumhydrogencarbonat, dem Hauptbestandteil von Brause- und Backpulver. Soviel zur Gefährlichkeit und Cancerogenität...
Hat man auch
DHMO im Boden nachgewiesen?

14. März 2006 um 06:07  
Blogger rolandmex schrieb...

"... daß Du in der Schule nicht aufgepaßt hast."
Mußte ich das? Gut, dass Du es mir sagst. Ist jetzt aber zu spät, oder (meine letzte Chemie-Stunde hatte ich 1986)?

Die Essenz der Geschichte ist aber rübergekommen; die wissenschaftlichen Untersuchungen, wo welche chemische Substanz im Boden ist und inwiefern sie Gesundheit und Konzentrationsvermögen im schulischen Unterricht beeinträchtigen, überlasse ich anonymen Chemie-Professoren.

;-)

14. März 2006 um 11:43  
Anonymous Anonym schrieb...

"in der Schule nicht aufgepaßt… Backpulver… Soviel zur Gefährlichkeit und Cancerogenität"
Das sagt der Richtige. Wenn DU in der Schule aufgepasst hättest, wüsstest du, dass alles eine Frage der Konzentration ist. Auch Zucker, Weizenmehl oder Kochsalz, ebenfalls alles Dinge aus dem Hauswirtschaftsunterricht, können bei zu hoher Konzentration gefährlich sein. Ebeno ist ein kleines Glas Wein jeden Tag wohl kaum gefährlich, aber eine Flasche eventuell schon.

20. April 2006 um 06:43  

Kommentar veröffentlichen

<< Home