Samstag, 24. Januar 2009

Bitte helft! (II)

Um es kurz zu machen: Julián wurde gefunden; gestern Abend in einem Park in der Nähe der Autobahn México - Puebla. Tot.
Mit gebrochenen Gliedmaßen (Bein und Arm). Ohne jegliches Geld oder Identifikation. Ohne seine Brille.
Die offizielle Version: er wurde überfahren.

Wer die mex. Polizei und deren Zuverlässigkeit kennt, weiß, dass da keiner nachforscht, was wirklich passiert ist (CSI gibt's nur im Fernsehen oder für Reiche wie Fernando Martí), und man "erfindet" eine Todesursache, um sich des Falls möglichst schnell zu entledigen (und die Kriminalitätsstatistik zu schönen).

Heute nachmittag war die Beerdigung. Ich war schon auf verschiedenen, aber auf keiner habe ich so viele Leute (auch Männer) weinen sehen.

Die Vermutungen, was wirklich geschah, gehen weit auseinander.
Tatsache ist, dass Julián in der Nähe der Zona Rosa arbeitete, in Iztacalco wohnte und irgendwo JWD ("Janz weit draußen") aufgefunden wurde.
Möglicherweise wurde er auf dem Heimweg in ein Auto gezerrt, mit roher Gewalt dazu gezwungen, Geld auszuhändigen, und als die Räuber keine Verwendung mehr für ihn hatten, entledigten sie sich von ihm (so wie viele 08/15-Mexicaner eine leere Plastik-Flasche aus dem Fenster des fahrenden Autos werfen...).

Nach all' dem, was man in den letzten Monaten in den Nachrichten hört (trotz der vermeintlichen Erfolgsmeldungen), denke ich, es kommen in dieser Krise schwere Zeiten auf uns zu.
1995 war eine Wirtschafts-Krise; diese hier ist außerdem eine Gesellschafts-Krise, in der wegen des sich seit Jahren entwickelnden Werte-Verfalls ein Menschenleben soviel zählt wie eine leere Cola-Flasche: "Nix mehr drin, was ich gebrauchen kann? Ex & Hopp und weg damit!"
Ich glaube, langsam aber sicher geht dieses Land vor die Hunde.

Ich werde damit beginnen, nach Alternativen zu suchen.

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3 Kommentare:

Blogger Hollito schrieb...

Auch in unserem Bekanntenkreis in MX gab es vor kurzem eine Entführung. Das Lösegeld wurde bezahlt, das Opfer danach getötet und wie ein räudiger Hund auf die Straße geworfen.
:-(

29. Januar 2009 um 01:53  
Anonymous Anonym schrieb...

Hallo Roland,

es tut mir Leid was in deinem Bekanntenkreis geschehen ist.

Bisher sind wir in Querétaro von solchen Ereignissen zum Glück verschont geblieben. Allerdings kenne ich keine einzige Person im D.F. welche nicht schon mindestens einmal Opfer eines Raubes (bewaffnet oder unbewaffnet), Misshandlung oder Entführung geworden ist. Anders gesagt: alle meine Freunde oder Bekannte im D.F. wurden mindestens schon einmal überfallen, die meisten schon mehrmals.

Ich frage mich wie lange es noch dauert bis es in Querétaro so weit ist und ich mache mir ernsthafte Gedanken das Land in absehbare Zeit zu verlassen.
Geplant ist der Sommer 2010... aber laut ursprünglichen Plan hätte es schon 2009 sein sollen (daher der Blogname "2009e.de)

Ich staune, dass du dich auch schon nach "Alternativen" umschaust. Meinst du damit einer andere Stadt oder ein anderes Land?

Gibt es noch Hoffnung für Mexiko?
Wie lange kann man es seinen Kindern zumuten hier zu leben?
Ist es für die Kinder überhaupt eine Zumutung?
Sind wir alle schon etwas paranoid oder verdrängen wir die Realität?

Fragen, auf die ich keine Antworten finde... aber bald finden muss... ansonsten wird es 2011e... 2012e... etc.

Was meinst du dazu?
Wird es besser oder schlechter in Mexicalzingo de los Nopales?

22. Februar 2009 um 21:19  
Blogger rolandmex schrieb...

"Was meinst du dazu?
Wird es besser oder schlechter in Mexicalzingo de los Nopales?"


Aber Michael, Du weisst doch, dass ich als Ausländer mich nicht in innere Angelegenheiten Mexico's einmischen darf... ;-)

Die alternative Lösung ist primär auf eine andere Stadt bezogen. Ich hasse den D.F. schon seit Jahren (wg. des Verkehrs, der Entfernungen, der Unsicherheit, der "Platz-da-hier-komme-ich"-actitud der Menschen, etc., pp.), und werde gerne in eine andere, kleinere Stadt zum Arbeiten fahren. Dann wird mich der D.F. nur noch dann, wenn ich es nicht verhindern kann, zu Gesicht bekommen.

Gibt es noch Hoffnung für Mexico?
Das frage ich die Mexicaner; ich bin ja nur geduldeter Gast hier, und wenn es mir nicht mehr sicher genug erscheint, habe ich das Privileg, mich in europäischen Gefilden umsehen zu können, zusammen mit Frau und Kind.

Ich antworte einmal ganz diplomatisch mit einer Gegenfrage: Ist es in der Geschichte Mexico's schon einmal besser geworden?

23. Februar 2009 um 16:40  

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