Mittwoch, 29. März 2006

Die "Ley Televisa"

Heiß diskutiert wird zur Zeit das neue Radio- und TV-Gesetz, über das heute in der Cámara de Senadores (Mexico's "Oberhaus") abgestimmt werden wird.

Vor allem kleine Radio- und Fernseh-Sender sind alarmiert über das Gesetz und fürchten ihr eigenes Verschwinden - allen voran "öffentliche" Fernsehsender wie Once TV, Canal 22, teve unam oder die Radiostationen des Instituto Mexicano de la Radio (IMER) (u.a. Reactor105 und Opus 94); selbst die zweitgrößte Fernseh-Station TV Azteca soll um ihr Bestehen bangen.
Einziger Nutznießer ist nach allgemeiner Ansicht (sprich: die der mex. Presse) Latein-Amerika's größtes Fernseh- und Radio-Kosortium: Televisa (daher der "Spitzname" des Gesetzes).

Was hat es mit der neuen Ley de radio y televisión auf sich?
An sich kommentiert Ricardo Alemán das sehr gut in seinen Kolumnen "Itinerario Político" (26.3.2006) und "Itinerario Político" (28.3.2006) (Links über ALT1040), aber ich will einmal versuchen, das Ganze etwas aufzulösen.

Bei der Präsidentschaftswahl 1988 hatte Televisa anfangs nur den PRI-Kandidaten Salinas de Gortari in sein Programm aufgenommen; die Oppositions-Kandidaten Cárdenas und Clouthier waren ausgeschlossen in Televisa's Sendezeit. Damals sorgte eine riesige Protest-Welle in der Bevölkerung und ein offener Boykott der Televisa-Stationen (sowohl des Volkes als auch der Werbe-Partner) dafür, dass die Opposition doch noch über den Bildschirm flimmerte.
Heute, 18 Jahre später, hat vor allem das Televisa-Konsortium faktisch mehr Macht als die politischen Institutionen und kann leicht über Wohl und Wehe eines jeden politischen Kandidaten entscheiden.

Die Reformen der leyes de Radio, Televisión y de Comunicaciones sehen vor, künftig die soziale Komponente der Kommunikation auszuschalten und die kommerzielle hervorzuheben. Konkret: es werden staatliche Zuschüsse für "öffentliche" Sender (die obengenannten) gestrichen und nur den finanzstärksten Anbietern Konzessionen erteilt. Das ist etwa so, als wenn man ARD und ZDF die Gelder streicht (und mit ihnen Radiostationen wie SWR 3 und EinsLive) und nur SAT.1, RTL und anderen privaten Murksmachern Sendern Lizenzen erteilen würde.

Falls das Gesetz durchgeht ist es eine Legalisierung der faktischen Machtverhältnisse und hebelt jedweden demokratischen Ansatz in Mexico aus. Wenn ein Medien-Konsortium entscheidet, wer diputado, senador, gobernador, jefe de gobierno oder sogar Präsident wird, wozu stellt man dann noch Kandidaten auf und finden Wahlen statt?

Der Protest gegen das Gesetz ist groß.
Die Station Reactor105, selbst in Problemen, weil die DF-Regierung den Sender "zurückhaben" will, spielt heute den ganzen Tag nur ein einziges Lied aus Protest gegen die "Ley Televisa".